Über das innere Mitgehen, das sich neu ordnen darf
Nähe bleibt und manchmal auch die Sorge.
Liebe Mütter und Väter,
mir fällt im Gespräch mit euch oft auf, wie schnell der Namen eures Sohnes oder eurer Tochter fällt. Mit einem Satz darüber, was gerade in ihrem Leben geschieht. Ein neuer Job. Eine Entscheidung. Ein Umbruch. Eine Krise. Ein Erfolg. Noch bevor wir bei euch ankommen, bin ich bereits mitten in ihrem Leben.
Und während ihr erzählt, spüre ich, wie nah ihr innerlich noch immer bei ihnen seid. Wie viel Raum eure Kinder in euch einnehmen. Wie sehr eure Aufmerksamkeit bei ihren Wegen ruht. Es ist eine stille, dichte Nähe, die sich im Raum ausbreitet, während ihr sprecht. Eine Nähe, die durch Jahre des Begleitens gewachsen ist.
Mir fällt immer wieder auf, wie selbstverständlich ihr innerlich mitgeht. Wie ihr mitdenkt. Wie ihr mitfühlt. Wie ihr euch innerlich bewegt, während eure erwachsenen Kinder sich durch ihr Leben bewegen. Manchmal klingt Stolz in eurer Stimme. Manchmal Erleichterung. Und oft schwingt auch diese feine Sorge mit, die sich wie ein leiser Hintergrundton durch eure Worte zieht.
Elternsein verändert seine Gestalt, wenn Kinder erwachsen werden.
Die Liebe bleibt.
Die Verbundenheit bleibt.
Die innere Bewegung bleibt.
Viele Jahre lang trugt ihr Verantwortung für ein Wesen, das ohne euch nicht existieren konnte. Ihr wart Halt, Schutzraum, Orientierung, Wärme, Entscheidungskraft. Euer Dasein war täglich gefragt. Euer Tun war sinnvoll, notwendig, lebenswichtig. Diese Zeit hat sich tief in euch eingeschrieben.
Ein kleines Kind braucht Präsenz.
Aufmerksamkeit.
Begleitung im Außen.
Hände, die halten.
Stimmen, die führen.
Ein erwachsenes Kind lebt in einem anderen Raum. Es betritt sein eigenes Feld. Es ordnet sein Leben nach eigenen Maßstäben. Es trifft Entscheidungen, die reifen wollen, getragen von eigenen Erfahrungen. Und während dieser Wandel im Außen geschieht, bleibt im Inneren oft noch viel von der alten Bewegung lebendig.
Die Sorge ist in der Liebe eingebettet. Sie entsteht aus Verbundenheit. Sie gehört zu diesem leisen inneren Band, das zwischen euch besteht. Sie fließt mit euren Gedanken, mit euren Fragen, mit euren inneren Bildern von eurem Kind. Und sie verwebt sich oft ganz unmerklich mit der Aufmerksamkeit, die ihr ihm schenkt.
In vielen Gesprächen tauchen dann diese inneren Frage in mir auf, während ich euch zuhöre:
- Wo beginnt das Zuviel?
- Wo verwandelt sich Mitfühlen in inneres Eingreifen?
- Wo wandelt sich Begleitung in ein Festhalten?
Ihr sprecht von eurem Wunsch, es euren Kindern leichter zu machen. Ihr sprecht davon, wie gerne ihr schützen würdet, bewahren, etwas abfedern, was sich gerade schwer anfühlt. Diese Impulse tragen die Handschrift von so vielen Jahren gelebter Verantwortung. Sie stammen aus einer inneren Haltung, die ihr über lange Zeit kultiviert habt.
Und zugleich zeigt sich hier diese feine Schwelle im Elternsein erwachsener Kinder. Eine Schwelle, die keine klare Linie trägt, sondern sich als innerer Übergang zeigt. Dort, wo sich Liebe in eine neue Form verwandelt. Dort, wo die alte Bewegung des Tragens sich in eine neue Bewegung des Raumgebens wandeln darf.
Zwischen Nähe und Vertrauen.
Zwischen Verbundenheit und Freiheit.
Zwischen Mitgehen und innerem Zurücktreten.
Diese Schwelle zeigt sich im Inneren. Dort, wo sich die eigene Haltung sortiert. Dort, wo die Frage auftaucht, aus welchem inneren Ort heraus heute gehandelt wird. Aus der lang geprägten Verantwortung. Oder aus einer neuen Qualität von Vertrauen.
Vielleicht beginnt genau hier ein neuer Abschnitt im Elternsein. Einer, in dem die Verbindung bestehen bleibt und sich die Form wandelt. Einer, in dem Liebe sich weiter entfaltet, ohne lenken zu müssen. Einer, in dem Vertrauen zu einer neuen Gestalt von Nähe wird.
Diese Bewegung vollzieht sich leise.
Sie vollzieht sich innen.
Und sie trägt das Potenzial, euch selbst in einen neuen Raum zu führen.
Vielleicht beginnt an dieser Stelle eine zweite Bewegung. Hinter der Sorge um das erwachsene Kind liegt oft eine Schicht, die viel länger wirkt, als es im ersten Moment scheint. Eine Schicht aus Haltung, aus gelebtem Anspruch, aus dem inneren Maßstab, mit dem über Jahre durchs Leben gegangen wurde. Diese Ebene zeigt sich leise im Alltag und prägt ganze Lebenswege.
Im nächsten Text geht es genau um diese unsichtbare Ebene. Um die Frage, wie viel von dem, was Kinder in sich tragen, aus dem gelebten Leben ihrer Eltern stammt.
→ Weiterlesen: „Ich habe nie Druck gemacht und doch war er da.“
Ich bin Susanne.
Ich arbeite mit Frauen, die ihren inneren Weg ernst nehmen.
Frauen, die spüren, dass etwas in ihnen wächst.
Wenn es in dir ruft, findest du den Weg.

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