Wer bist du ohne deine Führungsrolle?

Wie Identität, Macht und Menschlichkeit in der Führung zusammenwirken


Es gibt Momente, in denen Führung nicht mehr nur eine Aufgabe ist, sondern wie eine zweite Haut wirkt. Du trägst Verantwortung, hältst Entscheidungen, bist Ansprechperson für Krisen, Entwicklung, Struktur, Zukunft. Vieles läuft über dich, du bist Dreh- und Angelpunkt, Halterin eines Feldes, das weit über deine formale Position hinausreicht.

 

Und irgendwann taucht im Hintergrund eine leise Frage auf, die sich zuerst vorsichtig zeigt und dann zunehmend Raum einnimmt:

  • Wer bin ich jenseits dieser Führungsrolle?
  • Was bleibt von mir, wenn dieser Teil einmal wegfällt oder sich verändert?
  • Wo beginnt mein eigenes Selbst, wenn die Rolle für einen Moment stiller wird?

Diese Fragen sind kein Zeichen von Schwäche. Sie sind ein Ausdruck von Reife. Sie tauchen dort auf, wo Führung sich von einem äußeren Status in einen inneren Weg verwandelt.



1. Die Rolle der Führungskraft und was sie mit deiner Identität macht

Führung ist mehr als ein Organigramm, mehr als Verantwortungsbereiche und Zielvereinbarungen. Du hältst ein energetisches Feld, in dem Menschen arbeiten, Entscheidungen fallen, Konflikte sich zeigen, Wachstum möglich wird.

 

Mit der Zeit beginnt diese Rolle, mit deiner Identität zu verschmelzen. Du wirst angesprochen als „die Leitung“, „die Chefin“, „die Verantwortliche“. Menschen wenden sich an dich mit ihren Anliegen, Fragen und Erwartungen. In vielen Systemen bekommst du Rückmeldung vor allem dann, wenn etwas brennt und eher selten, wenn Felder stabil und getragen wirken.

 

Nach und nach kann es geschehen, dass du dich selbst stärker über die Rolle wahrnimmst als über das, was dich im Kern ausmacht. Verantwortung, Position, Wirkung. All das wird Teil deines Selbstbildes. Gleichzeitig rückt der Mensch dahinter gelegentlich in den Hintergrund.

 

Doch dein innerstes Selbst entsteht nicht aus dieser Funktion. Es existiert, bevor du in diese Rolle gegangen bist und wirkt weiter, selbst wenn sich Positionen verschieben. Die Kunst liegt darin, beides zu unterscheiden, ohne es zu trennen: die Rolle, die du hältst, und die Person, die du bist.


2. Macht, Wirkung und die feine Linie zur Entfremdung

Sobald du Führung übernimmst, veränderst du ein System und das System verändert dich. Du verfügst über Einfluss, triffst Entscheidungen, setzt Prioritäten, verteilst Ressourcen.

 

Die Psychologie beschreibt, dass Macht in Menschen Prozesse aktiviert, die sehr ambivalent sein können. Sie stärkt Tatkraft, Entscheidungslust, Durchsetzungsfähigkeit. Gleichzeitig kann sie empathische Zugänge verschieben, weil der Fokus stärker auf Steuerung, Effizienz und Ergebnis wandert.

 

Vielleicht kennst du Momente, in denen du dich selbst härter wahrnimmst als früher, klarer, konsequenter, aber auch distanzierter. Vielleicht bemerkst du, dass du weniger Zeit hast, zuzuhören, dass dein Kalender keinen Raum mehr lässt für ruhige Gespräche, dass deine Rolle dich stärker in Richtung Funktion zieht.

 

Berühmte Experimente wie das Stanford-Prison-Experiment zeigen in zugespitzter Form, wie Rollen Realitäten prägen. Menschen, die in eine Position mit formeller Macht gestellt werden, verhalten sich auf einmal anders, nicht, weil sie „schlechtere Menschen“ sind, sondern weil die Rolle innere Muster antriggert, die vorher kaum sichtbar waren. In abgeschwächter Form passiert das in Organisationen täglich: Position formt Verhalten, Verhalten wirkt zurück auf Identität.

 

Genau an dieser Stelle beginnt deine innere Arbeit als Führungskraft. Du kannst Einfluss darauf nehmen, wie sich diese Dynamiken in dir verankern. Du kannst bemerken, an welcher Stelle Macht dich von dir entfernt und an welcher Stelle Bewusstsein sie wieder mit Menschlichkeit verbindet. 


3. Wer bist du ohne deine Führungsrolle besonders dann, wenn sie ins Wanken gerät?

Für viele Menschen stellt sich die Identitätsfrage besonders intensiv in Übergängen.

 

Wenn sich Strukturen verändern.

Wenn Hierarchien neu geordnet werden.

Wenn du eine Führungsrolle verlässt, freiwillig nach einer bewussten Entscheidung oder unfreiwillig durch äußere Umstände.

 

In diesen Momenten kann es sich anfühlen, als würde ein Teil deiner inneren Stabilität ins Rutschen geraten. Plötzlich rufen weniger Menschen an. Entscheidungen werden woanders getroffen. Dein bisheriger Stellenwert im System verschiebt sich.

 

Viele erleben das wie einen inneren Absturz, obwohl der Lebenslauf von außen weiterhin beeindruckend aussieht. Es fühlt sich an, als würde ein Gefäß leer. Die bisherige Bedeutung, die klaren Aufgaben, die Dichte eines gefüllten Kalenders, all das weicht einer Leere, die erst einmal schwer auszuhalten ist.

 

Gleichzeitig öffnet sich in dieser Leere ein Raum, der tiefere Fragen zulässt:

  • Welche Teile meiner Identität habe ich an die Rolle gebunden?
  • Welche Werte tragen mich, auch wenn keine Position sie mehr „bestätigt“?
  • Welche Anteile in mir warten darauf, überhaupt erst gesehen zu werden, weil sie im Führungsalltag kaum Platz hatten?

Dieser Übergang kann innerlich schmerzen. Er ist jedoch kein Ende. Er ist ein Schwellenraum. Und in diesem Raum beginnt Identitätsarbeit im eigentlichen Sinne.


4. Dich von der Rolle durch Integration, nicht durch Abgrenzung  lösen

Die Führungsrolle loszulassen bedeutet nicht, diesen Teil deiner Biografie wegzuschieben. Führung ist ein Teil deiner Geschichte, deiner gewachsenen Kompetenz, deiner inneren Größe.

 

Der entscheidende Schritt liegt darin, die Rolle nicht länger als Ganzes deiner Identität zu betrachten, sondern als Ausdruck einer inneren Fähigkeit. Du trägst Führung in dir, in deiner Klarheit, deinem Bewusstsein, deiner Art, Räume zu halten. Die Position war ein Gefäß, in dem sich diese Qualitäten gezeigt haben.

 

Wenn du dich neu sortierst, geht es weniger darum, die Rolle abzustreifen, sondern darum, den Menschen wieder in den Mittelpunkt zu stellen, der all das getragen hat.

 

Du kannst dich fragen:

  • Welche Qualitäten habe ich in meiner Führungszeit tief verankert – Präsenz, Mut, Entscheidungsfähigkeit, Empathie, Systemblick?
  • Wie fühlen sich diese Qualitäten an, wenn ich sie losgelöst von einer formalen Funktion in mir wahrnehme?
  • Wo in meinem Leben möchte ich sie weiterwirken lassen – im Beruf, in neuen Projekten, in Beziehungen, in meiner eigenen Entwicklung?

Dadurch löst du dich nicht von Führung. Du hebst sie auf eine andere Ebene. Sie wird zu einer inneren Ressource, statt zu einer äußeren Definition.


5. Wie du dich innerlich stabilisierst während sich die Rolle verändert

Übergänge in der Führung verlangen nach innerer Stabilisierung.

 

Es hilft, wenn du dir bewusst Zeit schenkst, um diesen Prozess gut zu begleiten, statt ihn nur „zu überstehen“. Dazu gehören Phasen, in denen du dich neu sortierst, aber auch Phasen, in denen du bewusst Unterstützung wählst.

 

Hilfreich sind zum Beispiel:

  • Räume für ehrliche Selbstreflexion, in denen du deine Geschichte anschauen kannst, ohne sie zu bewerten.
  • Gespräche, in denen du dich als Mensch zeigen darfst und nicht als „funktionierende Führungskraft“.
  • Strukturen, die dich in deinem Alltag tragen – Rituale, Natur, Bewegung, kreative Zugänge, Schreiben.
  • Begleitung, die sowohl die systemische Ebene (Organisation, Rolle, Verantwortung) als auch die innere Ebene (Identität, Emotionen, Prägungen) sieht.

Genau an diesem Punkt beginnt meine Arbeit mit Führungskräften: im Zwischenraum aus alter Rolle und neuer Form, in dem sich zeigt, wer du wirklich bist, wenn äußere Zuschreibungen leiser werden.


6. Menschlichkeit als bewusste Praxis in der Führung

Auch wenn du aktuell mitten in deiner Führungsrolle stehst, ist die Frage „Wer bin ich ohne diese Position?“ von Bedeutung. Sie wirkt wie eine innere Rückversicherung. Sie schützt dich davor, dich vollständig mit der Funktion zu verschmelzen.

 

Je klarer du dich jenseits der Rolle wahrnimmst, desto menschlicher kannst du in deiner Rolle führen. Du beginnst, deine Wirkung bewusster zu gestalten. Du erkennst, an welchen Stellen Machtstrukturen dich in Muster ziehen und wo du bewusst anders wählen möchtest.

 

Menschlichkeit in der Führung zeigt sich in vielen kleinen Bewegungen:

  • In der Art, wie du zuhörst, auch wenn dein Kalender voll ist.
  • In der Ehrlichkeit, mit der du eigene Grenzen benennst.
  • In der Bereitschaft, zu deiner Verantwortung zu stehen, ohne andere kleinzumachen.
  • In der Fähigkeit, ein „Es tut mir leid“ auszusprechen, wenn du spürst, dass etwas aus deinem Inneren heraus anders gemeint war.

So entsteht eine Führung, die nicht nur Strukturen leitet, sondern Menschen berührt, weil sie auf einem echten inneren Kontakt basiert.


7. Die Frage hinter allen Fragen: Wer bist du, wenn alles Äußere stiller wird?

Am Ende führt dich die Frage nach deiner Identität jenseits der Rolle an einen Punkt, an dem es still wird. Dort, wo Titel, Projekte, Kennzahlen und Verantwortungsbereiche kurz aus dem Fokus treten, zeigt sich etwas anderes: dein eigenes Wesen.

 

Vielleicht spürst du in diesen Momenten eine Mischung aus Unsicherheit und Erleichterung. Unsicherheit, weil das gewohnte Gerüst kurz zur Seite tritt. Erleichterung, weil du merkst, dass da in dir etwas bleibt, das vollkommen unabhängig von äußeren Bedingungen existiert.

 

Genau dieses innere Wesen ist der Ort, aus dem heraus tiefste Form von Führung entsteht. Führung, die nicht in der Rolle beginnt, sondern im Bewusstsein. Führung, die Räume eröffnet, weil jemand anwesend ist – als Mensch, nicht als Funktion.


8. Wie meine Begleitung dich in diesen Fragen unterstützt

In meiner Arbeit mit Führungskräften, Unternehmerinnen und Menschen in Übergängen halte ich Räume, in denen genau diese Fragen Platz haben. Räume, in denen du dich als ganze Person zeigen darfst, mit deiner Rolle, deiner Geschichte, deinen Erfolgen, deinen Brüchen und deinen leisen Anteilen, die im Alltag kaum vorkommen.

 

Wir schauen gemeinsam auf:

  • die Dynamiken von Macht und Verantwortung in deinem Leben
  • die Prägungen, die dein Führungsbild geformt haben
  • die innere Linie, die du jenseits der Rolle trägst
  • die nächsten Schritte, die aus deinem Wesen und nicht nur aus deinem Lebenslauf entstehen

So wird dein Weg nicht kleiner, wenn du eine Führungsrolle verlässt oder veränderst. Er wird ehrlicher. Tiefer. Stimmiger. Und genau darin liegt die Kraft, die in dieser Zeit gebraucht wird.


Deine Führungsrolle endet. Dein inneres Führen bleibt.

 

Du bist mehr als deine Position. Du bist mehr als dein Verantwortungsbereich. Du bist mehr als jede Funktion, die dir je übertragen wurde.

 

Dein Wert als Mensch bleibt stabil und ist unabhängig davon, welche Rolle du gerade hältst oder welche du bereits losgelassen hast.

 

Wenn du dich dieser Wahrheit annäherst, beginnt eine neue Form von Führung in dir zu wachsen. Eine Führung, die sich nicht über Status definiert, sondern über Bewusstsein. Eine Führung, die nicht an äußere Strukturen gebunden ist, sondern in deinem Inneren verankert bleibt.

 

Wenn du spürst, dass dieser Weg jetzt für dich dran ist, weil sich deine Rolle verändert, weil du dich neu sortierst oder weil du Führung auf einer tieferen Ebene verstehen möchtest, dann begleite ich dich gern.

 

Deine Führungsrolle mag kommen und gehen.

Deine innere Führung bleibt.

Und genau dort beginnt der nächste Schritt.

 

 

 


Susanne Kruse sitzt ruhig in herbstlicher Natur, mit weichem Blick zur Seite. Eine Haltung von Klarheit und Ankommen.

Ich bin Susanne.

Ich arbeite mit Frauen, die ihren inneren Weg ernst nehmen.

Frauen, die spüren, dass etwas in ihnen wächst.

Wenn es in dir ruft, findest du den Weg.

 

→ Melde dich, wenn du bereit bist.



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